Monika Brandt erinnert sich ...
Monika Brandt war vom 1. Oktober 1968 bis zum 31. Dezember 2001 als „Wissenschaftliche Mitarbeiterin“ auf der Volkswerft beschäftigt. Über ihre ersten Erfahrungen mit der Marktwirtschaft hat sie im Rahmen eines Vortrags anlässlich einer Tagung in der Evangelischen Akademie Sachsen-Anhalt vom 11. bis 13. März 2005 berichtet. Ihr Bericht steht stellvertretend für die Erfahrungen, die viele Werftarbeiterinnen und -arbeiter infolge des schmerzhaften Wandels des Stralsunder Schiffbaus gemacht haben. Wir danken Frau Brandt für die Erlaubnis, dieses Zeitzeugnis auf der Homepage veröffentlichen zu dürfen.
„Arbeit war das ganze Leben „
Was mir Demokratie mit Marktwirtschaft gebracht hat – ein Erfahrungsbericht
Leseprobe:
„An einem Septembermorgen 2001 fanden die Personalgespräche statt, die die Meisten unvorbereitet trafen. Dann hatten sie zwei Stunden Zeit, ihre Schreibtische zu räumen und den Betrieb zu verlassen. Wenn Sie jetzt vermuten, dass es sich um Arbeitnehmer handelte, die straffällig geworden waren, dann irren Sie sich. Es waren Beschäftigte der Volkswerft Stralsund, die in diesem Betrieb schon 20, 25, 30 Jahre tätig waren, so genannte „junge Alte“ zwischen 45 und 55 Jahren. (Arbeitnehmer über 55 Jahre, die – so wie ich – ihre Kündigung erhalten hatten, durften bis zum Jahresende weiterarbeiten). Der Schock saß tief, denn jeder war mitten aus seiner Arbeit gerissen, die Computer liefen noch, als die Einzelnen zum Personalgespräch geholt wurden. Mit dem, was die Kollegen in den verbleibenden 2 Stunden zusammenräumten, verließen sie dann den Betrieb, vorbei an den Kolleginnen und Kollegen, die es diesmal nicht getroffen hatte. Von denen wagte keiner hochzugucken. Kein tröstendes, kein freundliches Wort, keine Hilfestellung und erst recht kein Dank für jahrzehntelange Arbeit. Und kein Betriebsrat hatte eine solche Verfahrensweise verhindert. Wer so aus dem Betrieb gejagt wird, hat lange mit der Aufarbeitung zu tun. Ich hatte nach meiner Kündigung im Freundeskreis den Satz gesagt: „Ich bin froh, dass es vorbei ist!“ Diesen Satz verstanden alle, die die Atmosphäre in den ehemaligen volkseigenen Betrieben kannten, die schon eine oder mehrere Kündigungen hinter sich hatten, aber kaum jemand, dem diese Situation fremd war, was vor allem für meine Freunde in den Altbundesländern zutraf. Dabei hatte ich in diesem Satz das Erlebte aus den letzten 12 Arbeitsjahren zusammengefasst. Das möchte ich im Folgenden auch für Sie tun, denn so wie uns ist es vielen im Osten Deutschlands ergangen, und heutige Verhaltensweisen lassen sich vielleicht besser verstehen…..“
Den ganzen Texte können Sie hier lesen: Vortrag Monika Brandt