Stralsunder Geschichtsverein

Eckhard Buchholz

Der Stralsunder Maler und Grafiker Eckhard Buchholz erinnert sich …

… an die Ausbombung in Stettin, seine Kindheit und Jugend in Stralsund, an die Band „The Hurricans“, an sein Arbeitsleben auf der Volkswerft, die Begegnung mit seinem späteren Lehrmeister, dem Stralsunder Maler Prof. Tom Beyer, sein künstlerisches Schaffen während der Werftzeit und die Hinwendung zur Historienmalerei ab 1998 …

In Stralsund, Bahnhofsstraße 2 Ecke Greifswalder Chaussee 1a, um 1991

Geboren am 14. März 1941 in Stettin, floh Eckhard Buchholz 1944 zusammen mit seiner Mutter und seinem Bruder nach einer Ausbombung der elterlichen Wohnung in Stettin in die Dienstwohnung seines Vaters in der Franz-Wessel-Straße 10 in Stralsund. Sein Vater war als Offizier der Wehrmacht im Dezember 1942 in Rschew, 180 Kilometer vor Moskau, gefallen. Infolge des Luftangriffs am 6. Oktober 1944 erlebte die Familie erneut das Trauma einer Ausbombung und fand danach Unterschlupf in einer Wohnung in der Straße „Andershofer Ufer“. Von 1947 bis 1955 besuchte er die Schule, erlernte anschließend den Beruf eines Kraftfahrzeugschlossers und arbeitete ab 1959 auf der Stralsunder Volkswerft als Motorenschlosser bis zur Vollendung des 58. Lebensjahres im Jahre 1999. Als Autodidakt entstanden ab 1962 erste Arbeiten des Maler und Grafikers. Entdeckt vom Stralsunder Maler Prof. Tom Beyer, war er dessen Schüler von 1976 bis 1979. Danach studierte er bis 1981 an der Ernst-Moritz-Arndt-Universität in Greifswald Kunstgeschichte und absolvierte – alles neben seiner Tätigkeit als Motorenschlosser auf der Werft – ein einjähriges Fernstudium an der „Kunsthochschule Berlin Weißensee“. Zahlreiche seiner damaligen Werke wurden auf der Volkswerft ausgestellt und schmückten die Räumlichkeiten der Werft, so manches Bild wurde auch als Geschenk anlässlich der Übergabe eines Schiffes an den sowjetischen Kapitän angefertigt. Ab 1991 Mitglied im pommerschen Künstlerbund, zu dessen 2. Vorsitzender er 1992 gewählt wurde, wandte sich der Künstler ab 1998  der Historienmalerei zu und setzte bis 2020 zahlreiche historische Ereignisse wie die Christianisierung Pommerns durch Bischof Otto von Bamberg 1128, den Besuch des Reformators Johannes Bugenhagen in Stralsund im Mai 1535 oder die Belagerung Stralsunds durch Wallensteins Truppen 1628 in Szene. Zahlreiche Ausstellungen im In- und Ausland u.a. des von ihm geschaffenen Wikinger-Zyklus machten Eckhard Buchholz weithin bekannt.  Mehr über den Menschen und den Künstler Eckhard Buchholz und sein umfangreiches Werk erfahren Sie in aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Pommern (Zeitschrift für Kultur und Geschichte) 61. Jahrgang, Heft 1/2023, auf den Seiten 41–45 „Vom lauten zum leisen Kunstschaffen des Historienmalers Eckhard Buchholz in Stralsund“ von Eckhardt Wendt mit einer Schlussbetrachtung von PD Dr. Gerd-Helge Vogel und auf seiner Homepage.

Erste Ausschnitte aus dem am 11. Mai 2023 von Herrn Freiherr von Houwald mit Herrn Eckhard Buchholz geführten Interviews (wird fortgesetzt)

Weiterführende (externe) Links:

Website des Künstlers Eckhard Buchholz

Website der Zeitschrift POMMERN

Ich bin am 14. März 1941 in Stettin geboren. Wir sind in Stettin ausgebombt worden, da war ich drei Jahre alt und wir sind nach Stralsund gezogen. Ich kann mich nur an Sachen erzählen, die Mutter von Stettin erzählt hat. Wir waren dann kurz bei Verwandten in Stettin untergebracht und haben mit der Flüchtlingswelle Stettin in Richtung Usedom verlassen. In Heringsdorf waren Verwandte, wo wir kurz geblieben sind, um dann weiter nach Stralsund zu reisen. In Stralsund hatte mein Vater eine Dienstwohnung als Offizier in der Franz-Wessel Straße 10. Dort konnten wir erst einmal wohnen, bis eine Bombe auch dieses Haus im Oktober 1944 zerstörte. Da kamen die Ami’s und um dreiviertelzwölf sagte Mutter, ich weiß noch, es war Essen auf dem Tisch, jetzt müssen wir in den Keller. So, und dann sind wir in den Keller gegangen und paar Minuten später explodierte oberhalb eine Bombe, und die Mutter sagte, ich flog von ihrem Schoß runter im Keller. Durch Mörtel und Staub, sie konnte mich nicht mehr sehen. 10 Minuten später kamen denn Soldaten mit nem Vorschlaghammer und haben die Wand eingeschlagen, dass wir rauskamen. Ja so ist das gewesen. Wir wohnten nachher durch Bekannte in der Straße Andershofer Ufer, das war ne Siedlung, wo damals die Offiziere wohnten und die waren ja zum Teil im Krieg geblieben und weg, und da haben wir eine Wohnung gekriegt. Und da wohnten wir lange, bis ich dann nachher geheiratet habe und dann sind wir weggezogen.

Ja, ich weiß noch oben in Andershof wo wir wohnten, der Opa ging aufs Dach, und sagte, rief runter: „Die Russen kommen“. Und dann kamen die Russen. Und auf dem Dänholm waren noch deutsche Soldaten, die schossen denn immer wieder rüber noch. Und neben unserem Haus stand ne Stalinorgel, die schoss dann da wieder rüber. Das weiß ich noch alles. Und dann kann ich mich auch noch daran erinnern, es saßen drei Russen auf der Treppe draußen, und Opa ging hin und holte ne Flasche Korn war das, was weißes, und goß denen ein, die haben sich sehr gefreut., dass sie nen Schluck abkriegten. Es gab auch sehr gute Russen dabei. Ich weiß noch, sie brachten uns einen großen Käse als Dankeschön, so und dann kam nachher paar Tage später andere Russen, die räuberten das dann wieder weg. Wenn Mutter nun schlau gewesen wäre, kleine Scheiben und irgendwo versteckt. Ja so war dat gewesen, es gab gute Russen und schlechte. Und ein Russe, den mussten wir einquartieren, Michel hieß der, und draußen war Theater gewesen, ham se geschossen und so weiter, die wollten auch mit Frauen irgendwie, „Frau 5 Minut“ und so weiter und so fort, und der schoß denn, der Michel, in die Luft und denn sind die anderen abgehauen. Es gab auch gute dabei, da kann man nichts zu sagen. Das sind so Erinnerungen. 

Zur Schule bin ich oben in Andershof im Gutshaus gegangen. Die ersten Klassen und dann nachher zur Stadt – 5 km zur Stadt gelaufen. In die Fritz-Reuter-Schule (Anmerkung v.H: ehemalige Frankenvorstadtschule, heute Jona Schule). Und da hatte ich auch Schuhe vom Vater angehabt, die mal größer waren und damit dann los gelatscht, wie das damals so gewesen ist. War aber ne ganz schöne Tour, 5 km hin, 5 km zurück. In den ersten Jahren waren in der Klasse 35, 36 Kinder. Und das war in einer großen Halle gewesen, die ersten saßen auf Bänke und die restlichen, die saßen alle auf der Erde, so war dat gewesen. 

Ne, Vater ist ja im Krieg gefallen. Meine Mutter musste uns beide versorgen, meinen Bruder und mich. 
Das ist bestimmt ne schwere Zeit gewesen? – ja natürlich. Haben Sie das auch so gemerkt als Kind?
Nein, nein, als Kind gar nicht. Aber wenn ich jetzt überlege, was man hat, man hat ne Waschmaschine, man hat ne Spülmaschine, das geht alles automatisch, früher war Mutter in der Waschküche für die ganze Siedlung, da gabs dann auch nen Zettel, wo dran steht, wer dran ist, und dann alles per Hand gemacht, das habe ich dann auch beobachtet. Und interessant war dann auch, es war dann auch ein Kindertreffen, die Frauen haben denn auch einen Kuchen gebacken und dann wurde auch was vorgetragen, Gedicht oder Lieder gesungen und das war einmal im Jahr gewesen. Selbstverständlich haben wir auch versucht, Lebensmittel zu bekommen. Da bin ich meinem Bruder los, die Bauern kontrollierten ja auch mit Hund ringsrum um die Felder, und wir mitten ins Feld rein , denn haben wir – was war das – Weizen genommen, rumgebogen, abgeschnitten und ins Hemd gesteckt –  mit solchen Bäuchen kamen wir dann nach Hause. Aber man durfte sich nicht erwischen lassen, klar, wir sind auch Kartoffeln stoppeln gegangen, wenn das Feld abgeerntet wurde, haben wir zusätzlich noch ein paar rausgeholt und so weiter. Das war nicht einfach für viele Mütter, die alleinstehend waren, mit Kindern und mussten sich so durchkämpfen. 

Na ja,  wir haben uns auch damals ein bisschen geboxt, geschupsts und Beinhacker gestellt, aber wenn ich das heute so erlebe, dat die schon mit Messern durch die Gegend rennen, dat kann nicht wahr sein. Nach der Schule flog die Schulmappe erst einmal in die Ecke, draußen tobten schon welche mit dem Ball, so dann hat man da mitgemacht, ist logisch. Also Stubenarrest habe ich nicht gekriegt – nie. Aber raus, toben und so weiter und so fort. Im Winter nachher, in Andershof ist ein Teich, da sind wir dann mit Schlittschuhen rauf. Im Sommer haben wir gebadet im Teich und wunderbar. Ich konnte nicht Schwimmen, ich wurde einfach reingestoßen, aber da waren ältere Jungens, die haben aufgepasst. Und so habe ich durch „Hundepaddeln“ dat Schwimmen erst mal gelernt – die anderen haben ja aufgepasst.

1956 habe ich dann die Schule beendet und habe eine Lehre angefangen, 3 Jahre in Stralsund als Kfz-Schlosser aufm IFA-Dienst (Industrieverband Fahrzeugbau). Wie sind Sie auf die Idee gekommen, Kfz-Schlosser zu lernen? Mein Vater war früher auch bei der motorisierten Einheit gewesen. Und ich hab auch Pokale von ihm gesehen, wo er Renne gewonnen hatte und so weiter. Und dann interessierten mich die Motoren, das war für mich das Beste. Und dann haste ein Motorrad repariert und hast ne Probefahrt gemacht, das war ganz wat besonderes gewesen – mit 16 Jahren, das muss man sich überlegen. Und da hatte ich dann in Garz meinen Führerschein gemacht, der Fahrschullehrer wusste aber, dass ich aus Stralsund kam. Da sagte er, Herr Buchholz, aber nur 100 m vor meiner Werkstatt, schieben, schieben nachher … Warum sind Sie nach Garz ausgewichen, haben dort ihren Führerschein gemacht? Da war nen guter Fahrschullehrer. Als 16-Jähriger konnte ich denn Motorrad fahren. Wie viele Lehrlinge haben mit Ihnen zusammen die Ausbildung gemacht, hat Ihnen die Ausbildung Spass gemacht? Das waren ungefähr so 6 bis 8. Ja – an Motoren arbeiten und laufen lassen, ja dat war wunderbar, dat war nen Herzgefühl. Da haben Sie noch zu Hause gewohnt? Ja, ja natürlich.

Ich traf einen ehemaligen Schulkollegen und wir sprachen so was man so verdient und der sagte mir, Menschenskinder, komm zur Werft, da verdienst du dat zweifache. Motoren, die sind zwar größer, aber da verdienst du mehr. Ich war da jung verheiratet, mit meiner ersten Frau, wollte für die Familie jetzt auch sorgen, so war es gewesen, und denn bis zum Schluss hab ich da durchgehalten. Wo haben Sie zusammen mit ihrer Frau gewohnt? Bei meiner Mutter. Gab es keine andere Möglichkeit, eine Wohnung zu bekommen? War schwierig gewesen, ja. Und dann hab ich später am August-Bebel-Ufer ausgebaut, oben und dann haben wir da gewohnt – 2 ½ Zimmer.

Auf der Reparaturwerft. Wir mussten dann morgens immer rüber, zur Hauptwerft. Wir hatten dann aber auch auf der Reparaturwerft Fischerboote von Sassnitz, die Kutter. Und die haben wir dann auf der Reparaturwerft repariert. Und das war auch interessant gewesen: der nächste Kutter der kam, weil es ja Fischer waren: „Bring mal ein Fass Aale mit“, so ging das dann aber auch. Und dann haben wir uns die Aale aufgeteilt. Das waren ja nur kleine Motoren gewesen, die hat man dann fix fertig gekriegt. Sonst haben wir DMR-Motoren repariert. Das waren Riesendinger., die Hauptmaschine war, glaube ich, 8, 9 Meter lang und dann vier Generatoren, die dann auch gemacht werden mussten. Frauen waren in der Brigade gar nicht beschäftigt. Auf der Reparaturwerft waren nur im Motorenbau waren so 10 bis 12 Männer beschäftigt. 
Ein eingeschworenes Team? Ja. Jaaa

Was machte man, was haben Sie in der Freizeit gemacht? Man hat sich auch mal mit Kollegen getroffen. Geklönt und dann gab es noch ein Bierchen dazu und fertig ist die Laube. Und nachher hab ich Musik gemacht. Gruppe Hurricanes. Und da waren wir auch viel unterwegs gewesen. Da haben wir in Greifswald gespielt, in Rostock. Im Sommer hatten wir nen Vertrag auf Hiddensee gehabt, in Kloster. Und dann haben wir in Kloster Freitag, Sonnabend und Sonntags gespielt. Und dann Montags mit ersten Dampfer los, ich hatte ja nur das Glück gehabt, mein Chef auf der Werft sagte, brauchst zwei Stunden später erst kommen. Weil man ja abgespannt war, und dann morgens, das lief alles. Wie hat sich die Band zusammen gefunden, haben Sie schon immer Musik gemacht? Wann war der erste Auftritt? Als Jugendlicher, war ich im Intourist, da waren drei Musiker, und der Gitarrist hat mir so gut gefallen, mit Verstärker damals, mit Echo und so weiter – dann habe ich mir das angeguckt, hab mit dem denn gesprochen, dann habe ich mir ne Gitarre gekauft und hab dreimal bei ihm gesessen und wir ham geübt. Und dann habe ich mir nachher ein Buch gekauft – Gitarrenlehre und dann habe ich mir das alles selbst beigebracht. Wann wir den ersten Auftritt hatten, das weiß ich nicht mehr. Interessant war, die Jugendlichen wollten immer englische Titel hören, aber ich konnte ja nicht englisch. Dann habe ich ein Tonband ablaufen lassen und habe mir das aufgeschrieben, wie ich das gehört habe. Das haben die niemals mitgekriegt, wenn wir gespielt haben. Wir hatten uns Noten besorgt, wir hatten uns mit einer Band in Greifswald, die IC Combo, die Noten ausgetauscht. Und dann haben wir damals viele Titel von der Band „The Shadows“ gespielt (Midnight, Wonderful Land, Peace Pipe), da waren wir schon dicke da gewesen. Das war die Zeit, wo die Gitarrengruppen aufkamen. War man damals ein kleiner Star in Stralsund mit der Band, hatten Sie „Schlag“ bei den Frauen? Ja natürlich, auch das. Wenn wir auf Hiddensee gespielt haben, dann kamen viele mit dem Dampfer, hatten sich ne Decke mitgenommen und die haben dann in den Dünen geschlafen. Das war ja gar nicht erlaubt. In Stralsund haben wir im Thälmannhaus gespielt und im Schuppen Greifswalder Chaussee. Da haben wir dann Nachmittags auch für die Jugendlichen gespielt.

  • Achim Schade Matthias Redieck (Hg.) Stralsund im Bombenhagel. Der Bombenangriff vom 6. Oktober 1944 mit Fotos aus der Sammlung Willy Lange Verlag Redieck & Schade GmbH Rostock, Oktober 2014.
  • Martin Holz, zur Bedeutung der Volkswerft Stralsund in der Nachkriegszeit als Arbeitgeber für zahlreiche Vertriebene. Das Kapitel „Volkswerft Stralsund“ findet sich in: Evakuierte, Flüchtlinge und Vertriebene auf der Insel Rügen 1943–1961, Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Pommern Reihe V Band 39, Böhlau Verlag Köln, Weimar Wien, 2003, S. 551–557.

 

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